Vanlife und Corona Lockdown

Der Corona-Virus hat die Welt auf den Kopf gestellt und in den letzten Wochen haben sich die Ereignisse überschlagen. Doch wie erlebt man die Situation, wenn man Vollzeit im Van lebt und sich auf Reisen befindet?

Ich war bis vor wenigen Tagen in Portugal in genau dieser Situation und möchte euch hier von meinen Erlebnissen berichten.

Der Anfang – Panikmache oder wirklich schlimm?

Ich habe mich zu Beginn nicht sehr intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt. In meiner kleinen “Happy Bubble”, weit weg von allem, an der Westküste Portugals verfolgte ich die Nachrichten nicht mit Regelmäßigkeit. Hier am Strand schien die Welt noch in Ordnung zu sein.

Die Vögel zwitscherten und die Angler standen am Wasser und warteten auf einen guten Fang. Zu dieser Zeit war Social Media noch voll mit Scherzen über Corona und die Nachrichten wurden vielerorts als Panikmache abgetan.

Erst, als Italien die Quarantäne ausgerufen hat, wurde mir dann bewusst, wie ernst die Lage wirklich ist und das ich aufmerksamer die Nachrichten verfolgen sollte. Danach ging es Schlag auf Schlag und die Lage spitzte sich täglich weiter zu.

Vanlife in Portugal und plötzlich kommt der Lockdown. Auf der ganzen Welt bricht Chaos aus und niemand weiß, wie er sich verhalten soll.

Ich telefonierte mit Freunden aus der Schweiz und Deutschland, wo sich die Situation in den letzten Tagen ebenfalls verschärft hatte. Schulen wurden geschlossen, Partys abgesagt und es wurde darum gebeten zu Hause zu bleiben.

Das ungute Gefühl im Bauch wuchs stetig an und ich begann meine Entscheidung, die Situation alleine am Strand auszusitzen mehr und mehr infrage zu stellen.

Vanlife und Corona Lockdown

Die Unsicherheit nimmt zu

Um mich selbst habe ich mir wenig Sorgen gemacht. Ich stand immer frei an abgeschiedenen Plätzen und hatte schon mehrere Wochen lang wenig Kontakt zu anderen Menschen gehabt. 

Doch was passiert, wenn auch die anderen Länder die Grenzen schließen und ich in Portugal festsitze? 

Wie kann ich sicherstellen, Zugang zu Frischwasser, Gas und Strom zu haben? 

Ein weiterer Punkt im Vanlife ist, dass sich das Leben doch hauptsächlich draußen abspielt, aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse im Van. Was passiert also, wenn man nur noch raus darf, um mit dem Hund Gassi zu gehen? Mal eine Woche nur im Van verbringen geht schon, aber mehrere Wochen, wenn nicht gar Monate? 

Und was ist, wenn aufgrund der Situation kein Einkommen mehr generiert werden kann und man am Ende auch noch ohne Geld in einem fremden Land gestrandet ist? All diese Fragen schwirrten mir tagelang durch den Kopf und ich wurde immer unruhiger. 

Als mich dann die Nachricht erreichte, dass Spanien die Grenzen geschlossen hat und Camper sich nicht mehr frei bewegen dürfen, war mir klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch Portugal durchgreift. 

Abenteuer Einkaufen im Supermarkt

Nach zwei Wochen am Strand neigten sich dann auch meine Vorräte langsam aber sicher dem Ende zu. Wie sollte es auch anders sein, ging mir ausgerechnet Wasser und Klopapier aus. Ich packte also zusammen und beschloss lieber einen Tag eher, als später die 30 Minuten Fahrt zum nächsten größeren Ort auf mich zu nehmen, um meine Vorräte aufzustocken. Zu dieser Zeit war ich noch mehr oder weniger sicher, die Krisenzeit in Portugal aussitzen zu können.

Zuerst steuerte ich Lidl an. In der Eingangstür standen die  Menschen Schlange und ich wunderte mich, was da los war. Dann bemerkte ich, dass eine Frau den Einlass kontrollierte. Nur, wenn jemand den Laden verließ, durfte jemand anderes rein. Die Frau trug Einweghandschuhe, ansonsten sah ich keine Vorkehrungen. Als ich an der Reihe war, entschied ich mich spontan dazu, auch lieber etwas mehr Essen zu kaufen, um die nächsten 2-3 Wochen nicht erneut einkaufen zu müssen. Normalerweise kaufe ich alle 3-4 Tage ein, da ich nicht so viel Stauraum zur Verfügung habe.

Die Brot- und Backwarenabteilung war relativ leer, aber zum Glück für mich mögen Portugiesen wohl das eingeschweißte Vollkornbrot nicht, dass zudem auch noch mehrere Monate haltbar ist.

Mit Wasser sah es schon schlechter aus. Nur noch 6er-Packs mit kleinen 330 Milliliter Flaschen und Wasser mit Kohlensäure war vorrätig. Ich schnappte mir also jeweils eine Packung und zog weiter durch die Gänge.

Klopapier war auch aus. Es schien die größte Angst der Menschen zu sein, kein WC-Papier mehr zu haben. Gut, dann eben eine Packung Küchenrolle, tut es zur Not ja auch.

Die Stimmung war schon irgendwie leicht angespannt. Oder war nur ich es? Jedenfalls fühlte ich mich sehr erleichtert, als ich meinen Einkauf beendete und alles in den Van verfrachtete. 

Neben dem Lidl war ein Pingo Doce, eine portugiesische Supermarktkette. Vielleicht würde ich ja dort Wasser bekommen? Ich lief also schnell rüber und – war zu spät. Die Frau vor mir schnappte sich die letzten 3 Kanister Wasser. Klopapier war auch hier bereits aus, aber Feuchttücher bekam ich noch. Schon mal eine Verbesserung zur Küchenrolle. Noch versuchte ich, die ganze Situation mit Humor zu nehmen und fand es eher lächerlich, dass nirgendwo Wasser oder Klopapier zu bekommen war. 

Was mich jedoch sehr wunderte war, dass am Kiosk so viel los war. Alle standen Schlange, um Lose für die Lotterie zu kaufen. Ich weiß allerdings auch nicht, ob das in Portugal generell an Samstagen so ist. Klopapier, Wasser und Lotterielose schien mir aber doch eine interessante Mischung zu sein. Ansonsten waren alle Supermarktregale noch prall gefüllt. Hier gab es noch nicht so verrückte Hamsterkäufe wie in den Videos aus anderen Teilen der Welt. 

Die dritte Station auf meiner Einkaufstour war der Intermarché, ebenfalls eine große Supermarktkette, die jedoch relativ teuer ist. Das Gute an Intermarché ist aber, dass diese sich auf Camper spezialisiert hat und man hier (oft kostenlos) Wasser tanken und seine Toilette leeren kann. 

Ich füllte also meinen 100 Liter Wassertank voll und startete einen letzten Versuch, Wasserkanister zu bekommen. Und siehe da, Intermarché  war noch voll ausgestattet. 

Das Wasser, mit dem ich meinen Wassertank auffüllte, schmeckt oft recht komisch, daher bevorzuge ich Wasserkanister. 

Jetzt oder nie dachte ich mir und schnappte mir einige Kanister. Klopapier gab es auch und ich fühlte mich wie ein Sieger, als ich die  Packung in den Einkaufswagen legte. Super, jetzt sah ich auch aus wie so ein idiotischer Hamster, aber wenn man im Van lebt, hat man halt nicht immer Zugang zu Frischwasser und ich plante ja, mich die nächsten Wochen von jeglicher Zivilisation fernzuhalten. 

Recht erleichtert, alles erledigt zu haben, machte ich mich nach 3 Stunden Einkaufsmarathon auf den Rückweg zum Strand. Ich war dann doch sehr überrascht, wie voll es dort war und ergatterte den letzten freien Parkplatz. Die Portugiesen verbrachten anscheinend alle ihr Wochenende am Strand und die Stimmung war ausgelassen.

Zeit zu Handeln

Eigentlich hatte ich vor, mindestens eine, wenn nicht zwei Wochen an diesem Strand zu bleiben, doch bereits am nächsten Morgen warf ich alle meine Pläne wieder über Bord. Ich sprach mit Freunden und hörte, wie sich auch zu Hause die Situation immer weiter zuspitzte. Die Berichte auf Social Media taten ihr übriges und mein ungutes Gefühl wuchs mit jeder Minute weiter an.

Da meine Mutter sich ebenfalls mit ihrem Van in Portugal befand und nicht plante, zurück nach Deutschland zu kehren, entschloss ich mich dazu, besser zu ihr zu fahren, bevor die Ausgangssperre verhängt wurde. Ich musste also einmal komplett von West nach Ost durchs Land fahren und erreichte am späten Nachmittag endlich die kleine Talsperre am Rande des Naturschutzgebietes.

Meine Mutter hat von diesem Ort geschwärmt. Umgeben von Natur, ruhig und bis zum nächsten Dorf waren es etwa 30 Kilometer. Überall befanden sich kleine Einbuchtungen am Rand der Wege, auf denen vereinzelt Camper standen. 

Ankunft am “Quarantäne-See”

Bei meiner Ankunft sah es jedoch leider bereits anders aus. Die Polizei, in Portugal GNR genannt, war da und hat alle Fahrzeuge des Platzes verwiesen. Das Parken war nur noch auf dem ausgewiesenen Parkplatz erlaubt. Dieser bot Platz für circa 10 Fahrzeuge und verfügt über eine Entsorgungsstation, sowie Frischwasseranschluss. 

Es war ziemlich voll, als ich den Parkplatz erreichte und ich quetsche meinen Van noch irgendwie dazu. Bereits am nächsten Morgen verließen jedoch zum Glück einige Camper den Platz und ich konnte mich vernünftig einrichten.

Nach dem Trubel waren am Ende 10 Fahrzeuge übrig und alle entschieden sich dazu, an diesem Ort fürs Erste auszuharren. Es war eine bunte Truppe bestehend aus zwei deutschen Familien mit kleinen Kindern, einigen Rentnern aus England und ein paar Aussteigern, die Vollzeit in ihren Wohnmobilen lebten.

Alle hielten respektvollen Abstand zueinander, aber der Umgang war sehr freundlich und entspannt. Die nächsten Tage vergingen  ereignislos und jeder machte sein Ding. Die Polizei fuhr täglich Kontrollen entlang des Sees, aber ansonsten passierte nicht viel.

Vanlife Corona Lager Portugal

Die Ereignisse überschlagen sich

Etwa eine Woche nach meiner Ankunft tauchte dann plötzlich das portugiesische Lokalfernsehen auf und wollte Interviews mit uns führen. Natürlich saßen einige mit ihren Stühlen vor ihren Fahrzeugen und der Bericht wurde gekonnt so zusammen geschnitten, als säßen wir alle fröhlich beisammen, was natürlich nicht der Wahrheit entsprach, aber was soll man machen.

Ich hatte schon eine Ahnung, was dann passieren würde. Nach der Ausstrahlung überschlugen sich die Ereignisse. Nur einen Tag nachdem der Bericht zu sehen war, rückte die GNR mit 3 Fahrzeugen an und machte sich ein Bild von der Situation. Auf unsere Frage, ob wir weiterhin dort stehen dürften, kam die vage Antwort, für den Moment  ja, was nichts anderes bedeutete, als dass sich dies jeden Tag ändern könne. 

Bereits am nächsten Morgen fuhr die Polizei dann erneut vor und hatte dieses Mal sogar den Bürgermeister der Region im Schlepptau. 

Dieser informierte uns über die neue landesweite Verordnung nach der nun die öffentlichen Stellplätze geräumt werden müssten. Wer in Portugal bleiben wolle, dem blieb nur, sich bei Freunden oder Bekannten auf Privatgrund zu stellen (oder sich irgendwo tief in der Natur zu “verstecken”, wie uns inoffiziell mitgeteilt wurde). 

Tagelang waren wir hin- und hergerissen gewesen, ob es besser sei nach Hause zu fahren oder es auszusitzen und dann wurde uns die Entscheidung mehr oder weniger abgenommen. 

Die Gefühle waren gemischt. Auf der einen Seite war ich erleichtert und auf der anderen Seite auch irgendwie traurig, dass ich meine Reise nun nach nur 5 Monaten vorerst abbrechen werden müssen. Auch meine Mutter hatte sich eigentlich in Portugal sicherer gefühlt, da in Deutschland bereits so viele Corona-Fälle in unserer Region aufgetreten waren. 

2200 Kilometer Rückreise nach Deutschland

Am nächsten Morgen wachten wir beide etwas verschnupft auf und waren sehr besorgt, dass man uns an der Grenze die Einreise verweigern könnte. Die Sorge war jedoch unbegründet, wie sich später herausstellte. 

Beim Grenzübertritt von Portugal zu Spanien mussten wir lediglich ein Formular mit unseren Daten ausfüllen und die Länder angeben, die durchfahren würden. Bei der Fahrt durch Spanien merkte ich dann erstmals, wie drastisch die Regierung durchgegriffen hatte.

Kaum ein Mensch auf den Straßen und auf den Autobahnen befanden sich nur vereinzelt PKWs, dafür aber jede menge LKWs. Wir kamen recht zügig voran und übernachten auf einem Rastplatz direkt an der Autobahn, da wir nicht riskieren wollten, abseits der Autobahn dann doch noch Ärger mit der Polizei zu bekommen.

Auch die Grenze von Spanien nach Frankreich stellte keinerlei Problem dar. Wir wurden ohne Kontrolle einfach durch gewunken und schafften die gesamte Strecke durch Frankreich mit nur einer Übernachtung. 

Die Grenze nach Luxemburg war ganz normal geöffnet und man hat nicht mal gemerkt, dass man über die Grenze fuhr. 

Auch an der Grenze zu Deutschland sahen wir keinerlei Kontrollen und begannen uns bereits zu wundern, als dann doch die Autobahn abgeriegelt war und alle Fahrzeuge über einen Parkplatz umgeleitet wurden. Doch auch hier hat sich wieder niemand für uns interessiert und wir konnten durchfahren, ohne anzuhalten. 

Was mich jedoch etwas verwunderte, wie unglaublich viel Verkehr auf den deutschen Straßen war. Auf den 200 Kilometern in Deutschland habe ich mehr PKWs gesehen, als auf den gesamten 2000 Kilometern zuvor. Insgesamt hatte ich in meiner Heimat den Eindruck, als ginge das Leben ganz normal weiter und niemand blieb wirklich zu Hause. Das ist natürlich nur meine subjektive Wahrnehmung der Lage, aber mich wunderte es wirklich, wieso so viele Menschen unterwegs waren, wenn man doch eigentlich zu Hause bleiben sollte. 

Privilegien und Dankbarkeit

Die Pandemie hat mir deutlich vor Augen geführt wie gut es ist, eine Home Base zu haben. Auch wenn ich immer betont habe, dass ich dies nicht brauche, ist es in der jetzigen Situation doch gut, in mein Elternhaus zurückkehren zu können.

Denn auch wenn zu Beginn vielleicht viele Privatpersonen ihre Grundstücke für Vollzeit-Vanlifer angeboten haben, so kann man ja nicht absehen, wie lange die Krise andauern wird. Da ist es meiner Meinung nach besser, sich nicht auf Bekannte oder gar fremde Personen verlassen zu müssen. So frei und unabhängig ein Leben im Camper auch oftmals ist, so sehr ist man in Krisenzeiten dann doch teilweise auf andere angewiesen. 

Ich weiß, dass ich in einer sehr privilegierten Situation bin, meine Quarantäne in einem großen Haus mit Garten verbringen zu dürfen und liebe Nachbarn zu haben, die unseren Einkauf erledigen, bis die ersten zwei Wochen um sind.

Insgesamt empfinde ich sehr viel Dankbarkeit momentan. Meine Familie und ich sind gesund, wir haben viel Platz und stets Zugang zu Strom und Wasser. Wir sind finanziell abgesichert und können bis auf einige Einschränkungen unser Leben wie gewohnt fortsetzen. Nicht viele Menschen haben dieses Glück und so wird mir nochmal bewusster, wie gut ich es habe. 

Wie hat sich der Corona-Lockdown auf dein Leben ausgewirkt? Musstest du eine Reise abbrechen?

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